Dorfgeschichte St. Pantaleon-Erla: „thema:anno“
Die Plattform thema:anno
versteht sich als Interessensgemeinschaft für all jene, die sich – in welcher
Form auch immer – mit der Geschichte von St. Pantaleon und Erla beschäftigen
oder sich dafür interessieren. Eines der zentralen Ziele ist die Sicherung alter
Dinge (handschriftliche Aufzeichnungen, Fotos, Bilder, Fundstücke …), die leider
im Zuge von Entrümpelungen, Umbauarbeiten oder Platzmangel immer wieder „verloren
gehen“, für die Geschichte unseres Ortes aber von Bedeutung wären. Zur Verwahrung dieser Archivalien wurde von
der Gemeinde St. Pantaleon-Erla im Gemeindeamt ein eigener Raum zur Verfügung
gestellt. Hier werden die Eingänge registriert und fachgerecht gelagert. Zur
Wahrung der Eigentumsrechte besteht auch die Möglichkeit, die Stücke in Form einer
Dauerleihgabe zu hinterlegen und sie bei Bedarf jederzeit wieder zurück zu
erhalten. Fotos werden eingescannt und wieder zurückgegeben.
Ein zweites zentrales Anliegen ist die Aufarbeitung der
Dorfgeschichte, die Beschäftigung mit Traditionen, denkwürdigen Ereignissen,
Schicksalen, Persönlichkeiten, Zeitzeugen, Veröffentlichung historischer
Beiträge in der Gemeindezeitung und vielem mehr.
Als Initiative, die ausschließlich von historischem
Interesse getragen ist, freuen wir uns über jegliche Beteiligung und Mitarbeit.
Ansprechpersonen: Karl Nenning (zuständig für
Archivraum, Kontakt über Gemeindeamt), Andreas Lindner, Josef Reisinger, Johann
Watzinger, Josef Watzlinger …
In diesem Sinne zeigen wir am Donnerstag, 20. Juli, 19.30 Uhr im Gasthaus Winklehner einige alte Ansichten von St. Pantaleon.
thema: anno (Zeitzeugin)
Das Leben in Stein damals. Aus den Erinnerungen von Frau Rosina Schlögl,
Arthof
Geboren am 4. November 1920 gibt Frau Schlögl Einblicke
in eine Zeit, die nur noch wenigen präsent ist. Frau Schlögl, geborene Fischer,
ist in Stein aufgewachsen. Das Stein der 1920er-Jahre zählte insgesamt sieben Häuser:
das noch bestehende Sailergut (heute: Sallinger), Voiltlbauer (heute: Stöger) und
Zenslgut/Gaiblinger/Teufenböck,/Rosenberger (heute: Stöger), sowie das nicht
mehr existierende Gaiswögergut (zuletzt: Karlinger), Danhofergut (zuletzt:
Pichler), Bräuhaus am Schwarzholz (zuletzt: Fischer) und das Gasthaus (zuletzt:
Forster).
Frau Schlögls Eltern besaßen ein Gasthaus in Ennsdorf,
das sie 1918 aufgaben, um das Bauernhaus (Fischer in Stein) zu übernehmen, weil
es dort keine Nachkommen gab.
Damals war in jedem Haus eine große Schar Kinder, leider
sind viele bereits früh verstorben, so auch in der eigenen Familie. Besonders
tragisch verlief der Mai 1924. In diesem Jahr verlor Frau Schlögl durch
Krankheit innerhalb einer Woche drei Geschwister. Auch der Familie Sandmair am
Nachbargut war ein schweres Schicksal beschieden. Frau Sandmair starb im
Kindbett, vierzehn Tage später wurde der gebrochene Witwer zu Grabe getragen. Zurück
blieben acht Kinder, die auf verschiedene Familien aufgeteilt wurden. Zur finanziellen
Absicherung der unmündigen Nachkommen wurde das Bauernhaus verkauft und das
Geld angelegt. Durch die Inflation blieb für jedes der Kinder nur so viel Geld
über, um ein Paar Schuhe zu kaufen.
In Stein stand zwischen dem heutigen Sportplatz und der
Donau, direkt am Donauufer das Gasthaus zur Überfuhr. In lebhafter Erinnerung blieben
Frau Schlögl die wiederkehrenden Bedrohungen durch die Hochwässer der Donau. Obwohl
das Wasser die Steiner-Häuser
selbst nie erreichte, lebte man in ständiger Angst davor. Zum Gasthaus gehörte
auch das sog. „Überfuhrhäusl“. Hier logierte der Überführer, der die Leute mit
der Zille über die Donau setzte.
Der erste Traktor gelenkt von Frau Schlögl; Foto Fam. Schlögl |
Nach Kriegsende
kamen die Besatzungssoldaten. „Die ersten
zwei Tage waren die Amerikaner da und dann kamen die Russen … es war die russische Marine mit 28 Schiffen,
die später auf 22 reduziert wurden.“ Die Nachbarfamilie Forster musste „innerhalb von zwei Stunden das Haus
verlassen und zum Fischer in Stadel und in‘ s Stöckl. Im Haus waren alle Zimmer
oben von den Russen belegt. Die haben am Rand die Fußbodenbretter
herausgerissen, sodass beim Aufwaschen alles runtergeronnen ist. Im zweiten
Besatzungsjahr sind dann einige nach Mauthausen und Au, ausgewandert‘, weil die
Zimmer schon so verwahrlost waren und es ihnen im Winter zu kalt war. Im
Frühjahr sind aber wieder einige gekommen. Haben alles in den Keller
geworfen…und sogar aus den Fenstern geschissen!“
„Es war eine
harte und schwierige Zeit, aber es gab auch schöne Zeiten.“ Als eines der
schönsten Erlebnisse ihrer Jugendtage beschreibt Frau Schlögl den Kochkurs im
Gasthaus Ebmer in St. Pantaleon in den Wintermonaten 1935/36. „Wir waren 16 Mädchen“ – und ohne
Schwierigkeit zählt sie alle Teilnehmerinnen auf. Trotz hohen Alters erfreut sie
sich nach wie vor eines unglaublichen Erinnerungsvermögens. Und noch etwas: Sie
hat sich ihren einzigartigen Humor und ihre positive Lebenseinstellung
erhalten. Beides habe sie von ihrem Vater,
„den sie sehr gern hatte“.
Gespräch geführt und
aufgezeichnet im Jänner 2015, Andreas
Lindner und Johann Watzinger.