St. Pantaleon-Erla

„thema:anno“ (Zeitzeugin)

Dorfgeschichte St. Pantaleon-Erla:

Erinnerungen von Frau Maria Mitterer (geb. Fischer, Bauer in Marksee/St. Pantaleon); (Gesprächsnotiz, Mai 2020)
Maria Theresia Fischer erblickte am 4. Jänner 1933 als älteste von fünf Kindern in Marksee in St. Pantaleon das Licht der Welt. Der damalige Pfarrer Richard von Kesaer notierte irrtümlicherweise den 2. Jänner und machte sie zeitlebens um zwei Tage älter.

Noch gut in Erinnerung bleibt ihr, wie kurz vor dem Krieg ein Flugzeug über Marksee flog und auf Flugzettel für den Anschluss an Hitlerdeutschland warb. Der Vater ließ die Zettel aufsammeln und sie auf das Plumpsklo bringen – hier erfüllten sie zumindest einen guten Zweck. Mit dem Einmarsch Hitlers sollte sich für die damals 5-jährige vieles ändern. Dass Vater Fischer als gläubiger Katholik nicht der NSDAP beitrat, spürte die ganze Familie. Ab dem Jahr 1939 besucht Maria Fischer die Volksschule in St. Pantaleon. Im Winter mussten die Kinder den Weg im Dunkeln gehen und sie hat sich oft gefürchtet. Unterrichtet wurde anfangs noch die Kurrentschrift, mit Griffel auf einer Schiefertafel.

Ihr Lehrer, Oberlehrer Spatzek war schon vor dem Anschluss Mitglied der Nationalsozialistischen Arbeiterpartei und drangsalierte seit der Machtübernahme die ganze Ortschaft. Im Klassenzimmer ließ er das Kruzifix abnehmen und ersetzte es durch das Bild des Führers. Einmal tauschte es ein Junge heimlich gegen einen Rosenkranz aus. Der Oberlehrer tobte, doch die Klasse verriet den Mitschüler nicht. Spatzek hätte dessen Eltern vermutlich ins KZ gebracht. Selbst noch zu Kriegsende hielt der fanatische Lehrer am Dorfplatz Ansprachen, in denen er zum Durchhalten aufrief. Ein älterer Mann – sein einziger Sohn war an der Front gefallen – wagte zu widersprechen. Mit Verbitterung musste die ganze Bevölkerung miterleben, wie der alte Mann vor ihm niederknien und Abbitte leisten musste. Spatzek hatte ihm mit dem KZ Mauthausen gedroht. Er ging so weit, dass er seinen eigenen Sohn verstieß, nachdem dieser von der Front über den Rückzug der deutschen Armee berichtet hatte. Einmal erzählte ein Schüler, dass ein Kriegsgefangener seines Nachbarn den baldigen Einmarsch der russischen Armee prophezeit hätte. Sofort wurde der Gefangene nach Mauthausen gebracht, wo er wenig später starb. Aus Angst vor den einrückenden Russen brachte die Mutter den Knaben später zu Verwandten ins Mühlviertel. Ihre Weigerung ihn auszuliefern, bezahlte sie mit der Vergewaltigung durch die russischen Soldaten.

Da sie in der Schule sehr gut war, durfte Maria Fischer zusammen mit drei anderen Mädchen ab 1943 die Hauptschule in St. Valentin besuchen. Das bedeutete einen täglichen Fußmarsch von insgesamt vier Stunden – mit schlechter Kleidung, im Winter mit Holzschuhen. In den Kellern in St. Valentin erlebte sie auch die Bombenangriffe der Alliierten mit schweren Treffer auf das Nibelungen-Werk und dem Bahnhof. Einmal hatte die Flack ein feindliches Flugzeug abgeschossen. Die verkohlten Leichen der beiden Piloten sieht sie noch heute vor sich. Da es immer schlimmer wurde, verlegte man den Schulunterricht schließlich in die umliegenden Bauernhäuser.

Noch in den letzten Kriegsmonaten wurde der Vater eingezogen. Zu dieser Zeit mussten die KZ-Häftlinge in Marksee Schützenwalle errichten. Unter großer Gefahr ließ meine Mutter den völlig abgemagerten Häftlingen heimlich Kartoffeln und Sauerkraut zukommen. Aus Dank brachten sie ihr nach Kriegsende Kleidungsstücke. Sie hatten diese bei einem Bauern in Wagram konfisziert, der sich während des Krieges den Häftlingen gegenüber sehr schlecht verhalten hatte.
Natürlich gab meine Mutter die Kleider später zurück. Gottlob kam in den letzten Kriegstagen auch mein Vater heim. Zusammen mit einigen anderen hisste er für die anrückenden Amerikaner am Kirchturm eine weiße Fahne – unter großem Gezeter von Oberlehrer Spatzek, der unter wüsten Drohungen der
Bewohner St. Pantaleon für immer verließ.
Leider machten die Amerikaner bald den nachrückenden Russen Platz. Und nun fing das große Übel an! Die Frauen mussten sich wochenlang verstecken, um den Misshandlungen der Soldaten zu entgehen. Später kam der Staatsvertrag und das Leben ging wieder bergauf.