Der heilige Pantaleon
Der Arzt für die Ausgebrannten und Ausgezehrten
Pantaleon war der Leibarzt des Kaisers Maximian und starb um 305 den Martertod zu Nikomedien. Sein Name heißt der "Löwenstarke". Griechisch heißt er Panteleimon und das bedeutet: ganz mitfühlend, der Allerbarmer. Auf dem Berg Athos wurde im 11. Jahrhundert das Kloster Panteleimon gegründet: In Köln gibt es die wunderbare romanische Kirche St. Pantaleon. Das Attribut des hl. Pantaleon ist der Nagel, mit dem ihm seine Hände aufs Haupt genagelt wurden, und das Arzneifläschchen, das ihn als Arzt kennzeichnet. Er ist der Patron der Ärzte und wird angerufen bei Kopfweh, Auszehrung und bei Viehseuchen. Er starb den Martertod im Jahre 305. Sein Fest ist am 27. Juli.
In Estenfeld ist er als jugendlicher Märtyrer dargestellt, an einen Baum gebunden, die angenagelten Hände über den Kopf haltend. Die Figur hat einen fröhlichen Ausdruck. Der Tod kann dem Arzt Pantaleon nichts anhaben.
Pantaleon war der Sohn eines heidnischen Senators. Er ging in die Schule eines weisen Arztes. Hermelins, ein heiliger Mann, ermahnte ihn, er solle sich taufen lassen. Als der Heilige einmal auf ein Kind traf, das von einer Natter getötet worden war, bat er im Namen Jesu um die Heilung. Es wurde sofort geheilt. Da ging Pantaleon mit dem Kind zu Hermelins und ließ sich taufen. Er wollte auch seinen Vater zu Christus bekehren. Der aber wollte nicht. Einmal begegnete er mit seinem Vater einem blinden Mann.
Als Pantaleon ihn heilte, ließ sich nicht nur der Blinde taufen, sondern auch sein Vater, der von dieser Heilung sehr beeindruckt war. Man verklagte Pantaleon beim Kaiser, dass er Christ sei. Vor den Augen des Kaisers heilte er einen siechen Mann. Da drängten die ändern Arzte den Kaiser dazu, Pantaleon unschädlich zu machen. Der Kaiser ließ glühendes Blech bringen und den heiligen Arzt damit brennen. Er warf ihn in den Kerker und verbot, ihm zu essen und zu trinken zu geben. Doch Christus selbst pflegte seinen Diener und heilte seine Wunden, so dass er frisch und gesund erschien. Der Kaiser ließ ihn ins Wasser werfen, aber die Wellen trugen ihn ans Land. Er sperrte ihn in einen Garten voller wilder Tiere. Aber sie verkehrten friedlich mit ihm. Schließlich band man ihn an einen Ölbaum und schlug ihn so lange mit Domen, bis das Blut von ihm rann. "Gott aber ehrte seinen Heiligen mit einem schönen Zeichen. Wo sein Blut hinging, da ward nämlich alles grün und schön und der dürre Baum tat blühen und trug süße Frucht. Und überall wo sein Blut hinkam, ward alles voller Rosen, Lilien und Veilchen. Als die Menschen dies sahen, ließ sich wiederum viel Volk taufen." (Melchers 463) Ein Ritter band Pantaleons Hände über seinem Kopffest und schlug ihm einen großen Nagel durch die Hände in sein Haupt. Pantaleon betete zu Gott und empfahl seinen Geist in Gottes Hände.
Pantaleon zeigt uns, dass Gott selbst der Arzt für unsere Wunden ist. Die Menschen können uns noch so sehr verletzen. Sie können uns letztlich nicht schaden. Alle Martern, die sie sich ausdenken, bewirken das Gegenteil, wenn wir wie Pantaleon unser Vertrauen auf Gott setzen. Weder das Wasser, noch das Feuer, weder wilde Tiere noch die Domen des Domstrauchs können uns wirklich verletzen. Wenn wir in Christus unsern Grund haben, dann schwemmt uns das Unbewusste nicht weg. Die Leidenschaften und die Triebe, die im Feuer und in den wilden Tieren dargestellt sind, können uns nicht zerreißen. Die Verehrung des hl. Pantaleon bestätigt die Wahrheit des Satzes, den der hl. Johannes Chrysostomus in einer Rede aufgestellt hat: "Niemand kann dich verletzen, wenn du es nicht selbst tust." Die Menschen mögen uns noch so verletzen wollen, sie können uns nicht schaden, wenn wir uns nicht selbst verletzen. Das Vertrauen auf Gott befreit uns von der Macht der Menschen und schützt uns gegenüber den Verletzungen, die sie uns aus Hass oder Eifersucht oder sonstigen Motiven zufügen möchten. Das zeigt die Legende im Bild der Domen, mit denen die Menschen Pantaleon zerkratzen. Auch wenn die Domen uns noch so tief verwunden, so können unsere Wunden doch zu Quellen des Lebens werden. Das wird in dem schönen Bild ausgedrückt, dass das Blut des Heiligen überall grünendes und blühendes Leben hervorruft und Rosen, Lilien und Veilchen wachsen lässt. Der Ölbaum ist Bild für die heilende Kraft des Glaubens. Mit Öl heilte man ja in der Antike die Wunden. Die Blumen sind Ausdruck der Freude, die uns niemand nehmen kann. Und sie sind Zeichen für den überwundenen Winter. Dort, wo wir an Christus glauben, schmilzt das Eis unserer kalten Herzen und das Leben Gottes blüht auf. Die Rose weist hin auf die Ganzheit des Menschen, die Lilie ist Bild für Unschuld und Reinheit und Symbol für die Gnade Gottes, die gerade durch unsere Wunden erfahrbar wird.
Das Veilchen ist Symbol der Demut. Unsere Wunden weisen uns hin auf die eigene Wirklichkeit, auf unsere Erdhaftigkeit (humilitas).
Wenn wir uns mit unsern Wunden aussöhnen, werden sie zu einer Quelle fruchtbaren Lebens für uns selbst und für die Menschen um uns herum, die sich an den Blumen erfreuen. So ist Pantaleon, der christliche Arzt, Bild für Gott als den wahren Arzt unseres Leibes und unserer Seele geworden. Gott wird die Wunden heilen, die andere uns zufügen. Gott wird unsere Wunden verwandeln, dass das Herzblut, das aus unseren Wunden strömt, um uns alles grünen und blühen lässt.
So wird in Pantaleon das Wesen christlicher Therapie sichtbar. Wir haben keine Garantie, dass der Glaube uns davor schützt, verwundet zu werden. Pantaleon ist schwer verwundet worden. Aber er durfte erfahren, dass Gott manche Wunden vollständig heilt, so dass er genauso gesund und lebendig wurde wie zuvor. Aber irgendwann wird uns das Leben auch an den Ölbaum binden, von dem wir nicht mehr loskommen. Und irgendwer wird uns eine tödliche Wunde zufügen. Irgendwann werden wir an einer Krankheit sterben. Aber wenn wir dann wie Pantaleon an den Ölbaum der göttlichen Liebe gebunden sind, wird auch die todbringende Krankheit uns nicht erstarren lassen, sondern neues Leben in uns und um uns hemm aufblühen lassen. Und wenn wir ja sagen zu unserem Tod, dann wird gerade unser Tod zum Segen werden und zum Samen für neues Leben.
Pantaleon wird dargestellt, wie er seine Hände über dem Kopf hält und ein Nagel durch die Hände in den Kopf geht. Pantaleon ist festgenagelt. Er ist bewegungsunfähig. Es ist eine grausame Todesart, die er erleidet. Aber auf den Bildern ist er oft ganz friedlich dargestellt. Seine Hände sind wie ein schützendes Dach über dem Kopf. Andere können uns noch so festnageln.
Wenn wir uns innerlich aussöhnen mit unserer Situation, so kann uns keine äußere Festlegung einengen und schaden. Festgenagelt sind wir zugleich frei. Und aus der Enge, so sagt uns die Legende, wächst eine neue Weite und Fruchtbarkeit. Denn das Blut, das aus der Wunde des Pantaleon fließt, lässt ja überall neues Leben aufblühen. Heute tun wir uns schwer, uns festzulegen. Wir möchten uns lieber alle Türen offen halten. Aber dann bleibt unser Leben unfruchtbar. Wir wollen immer und überall sein und sind doch nirgends. Nirgends kann etwas wachsen. Es braucht die stabilitas, das Standhalten, die Beständigkeit, von der Benedikt schreibt, damit unser Leben Frucht bringen kann, damit unser Baum zur Blüte kommen kann.
Pantaleon wird bei Auszehrung und Viehseuchen angerufen. Er ist zuständig für alle Krankheiten, die durch Infektion ausgelöst werden und den Körper oft auszehren. Bei Infektionen dringen feindliche Erreger in den Leib ein und entzünden ihn an einer Stelle. Dafür steht das glühende Blech, mit dem man Pantaleon brannte, das ihm aber nichts anhaben konnte. Infektionskrankheiten sind oft Ausdruck innerer Konflikte, denen wir uns nicht stellen. Pantaleon hat sich den Konflikten gestellt, die von außen auf ihn zukamen. Er fühlte sich getragen von der Kraft Christi, in der er sich den feindlichen Mächten entgegenstellen konnte. .Die Feinde konnten ihn verletzen, aber sie konnten ihn nicht überwinden. Das ist ein schönes Bild für den Abwehrkampf, in den der Körper bei Infektionen gerät. Wenn der Infekt nicht ausheilt, dann gibt es eine Chronifizierung. "Die nicht bereinigte Situation bildet einen Herd im Körper, an dem nun ständig Energie gebunden ist, die dem Rest des Organismus fehlt: Der Patient fühlt sich abgeschlagen, müde, antriebslos, lustlos, apathisch." (Dethlefsen 139) Das ist das typische Bild für die Auszehrung, bei der das Volk Pantaleon immer angerufen hat. Pantaleon hat sich den Konflikten gestellt, bis zuletzt, als er angenagelt wurde. Den Mut zu solchem Kampf hat er aus seiner Verbindung mit Christus gewonnen. Pantaleon ist für das Volk zum Bild des heilenden Gottes geworden, der unserem Leib genügend Kraft gibt, sich gegen feindliche Erreger zu wehren, und der so unsern Leib vor Auszehrung bewahrt. Konflikte können aber nicht nur den Leib auszehren, sondern genauso die Seele. Alles, was uns auffrisst, was uns die Energie raubt, sollten wir im Bild des hl. Pantaleon anschauen und uns in der Kraft Christi entgegen stellen. Wir vermögen das nur, wenn wir zugleich mit der inneren Quelle in Berührung sind, die in uns sprudelt, mit der Quelle des göttlichen Geistes, die nie versiegt. Sie bewahrt uns davor, ausgezehrt und ausgebrannt zu werden. Denn aus ihr strömt uns immer genügend Kraft zu, die wir für unsere Arbeit und unser Leben brauchen.
Quelle: Anselm Grün
Die 14 Nothelfer als Bilder einer christlichen Therapie
VIER-TÜRME-VERLAG MÜNSTERSCHWARZACH
ISBN 3-87868-596-3